Was soll das alles eigentlich und warum ich Korallen absägen will.
- The Diving Biologist
- 21. Juli 2024
- 5 Min. Lesezeit
Ich stecke mitten in den Umzugsvorbereitungen, muss mich um viele Dinge kümmern, Sachen sortieren, Dokumente bearbeiten. Das bedeutet viel Arbeit und die Zeit vergeht einfach. Aber manchmal überkommen mich Momente der Realisierung. Ich ziehe wirklich weg, ich werde jetzt wirklich das studieren, was ich schon so lange studieren will, ich erreiche das Ziel, welches ich schon seit 6 Jahren verfolge.
Mit dieser Realisierung kommt auch unweigerlich die Frage auf; warum das alles eigentlich? Und das möchte ich euch sagen.
Schon in meiner Schulzeit war Biologie eines meiner Lieblingsfächer. Ich war nicht unbedingt überragend gut, aber es hat mich immer fasziniert und somit Spaß gemacht. Meine Liebe und Verbundenheit zum Meer begleitet mich schon mein ganzes Leben, damit muss ich wohl geboren sein. Kombiniert habe ich diese zwei Bereiche meines Lebens das erste Mal in meiner Abiturabschlussprüfung in Biologie. Meine Präsentation beschäftigte sich nämlich mit dem Thema der Lumineszenz, genauergesagt 'Warum Fische leuchten'.
Mit dem Abitur in der Tasche machte ich mich dann, wie so viele von meinen Freunden, erstmal auf Reisen. Schnell war für mich klar, dass ich einen Tauchschein machen möchte und wo geht das besser als in Thailand? Der Geldbeutel und die direkte Begeisterung für den Sport gaben her, dass ich nicht nur den OWD (Open Water Diver, 20m), sondern auch den AOWD (Advanced 30m), das Wracktauchen, Navigieren und Deep Dive (40m) erlernte.
Dort konnte ich auch zum ersten Mal die unglaublich schöne Welt der Riffe kennenlernen und lernte ein wenig über die Systeme und die einzelnen Bewohner. Ich lernte aber auch von den Gefahren für die Riffe und die damit zusammenhängende Vergänglichkeit. Hier formte sich für mich das erste Mal der Gedanke, 'Das muss doch besser gehen'.
Ein paar Jahre später bin ich in mitten meines Biologiestudiums und ich gehe auf meeresbiologische Exkursion auf eine kleine Insel in Italien. Im Laufe der Zeit hatte ich verschiedene Bereiche der Biologie, Unternehmen und Stiftungen kennengelernt, die sich mit verschiedenen Aspekten der Meeresbiologie beschäftigten. Und die Exkursion gab mir die Möglichkeit, ein wenig erfühlen zu können, wie es wohl so sein könnte, Meeresbiologin zu sein. Und um mich kurz zu fassen; ich liebte es. Jeden einzelnen Teil davon. Auch hier ging ich tauchen und auch hier erfüllte die Unterwasserwelt mein Herz, während das Absterbe dieser Welt es direkt wieder brach. Für mich war jetzt klar; ich möchte dieses Ökosystem erhalten, ich möchte ein Teil der Konservierung sein und ich will helfen es wieder aufzubauen. So kam ich zu meinem Wunschbereich; der Korallenrestaurierung. Das ist meine Antwort auf die Frage 'warum mache ich das?'.
Was ist Korallenrestaurierung?
Wie bereits erwähnt lernte ich Unternehmen und Stiftungen kennen, die ihr besten geben, um unsere Meere zu erhalten. Zwei davon verfolge ich mit besonderem Interesse; die Coral Gardeners [1] und die Coral Restoration Foundation [2]. Diese beiden Non-Profit Unternehmen haben sich das Ziel gesetzt, die Korallenriffe unserer Meere wieder aufzubauen und wie sie das tun, möchte ich euch erklären.
Der Vater der Korallenforschung, David Vaughan, erkannte, dass Korallen schneller wachsen, wenn kleine Teile von ihnen isoliert aufgezogen werden. Das nannte er dann Mikrofragmentierung. Durch Studien [3] konnte er zeigen, dass, wenn ein Teil einer Koralle entfernt wird und diese weiter draußen im offenen Meer aufgezogen wird sie 4-6 mal schneller wachsen kann. Das wird durch verschiedene Faktoren ermöglicht. Erstens ist die Koralle weiter weg von anderen Korallen und hat genug Platz muss sie sich nicht gegen Konkurrenten durchsetzen und kann sich frei entwickeln. Zweitens ist die Gefahr durch Fressfeinde eingeschränkt, da sich diese meistens an den Riffkomplexen selbst befinden. Drittens ist durch das offene Feld ein ständiger und unbehinderte Nährstofffluss gegeben.
Damit dies ermöglicht werden kann, müssen sogenannte Nurseries gebaut werden. Typisch sind drei Bauarten von Nurseries. Es gibt den Baum, die Plattform und die Seile [4;5;6].
Der Baum ist ein Gerüst aus Stangen, an denen die kleinen Korallenstücke wie Weihnachtsschmuck an Seilen befestigt werden. Es verbraucht wenig Platz, da es eher in die Höhe als in die Breite gebaut wird. Dadurch können viele dieser Bäume errichtet werden und durch die Einfachheit des Gerüsts ist es auch sehr kostengünstig. Der platzsparrende Vorteil ist aber auch gleichzeitig ein Wachstums-Nachteil. Korallen sind nämlich sehr empfindliche Tiere und mögen Veränderungen nicht. Sie sind sogar so empfindlich, dass die gerinsgte Veränderung der Lichtverhältnisse schon einen enormen Stress für sie darstellen. Deswegen ist es bei der Aufzucht besonders wichtig, die Korallen auf der selben Tiefe zu Züchten auf der sie auch entnommen wurden. Da können schön 30cm Unterschied zu viel sein.
Das ist der Vorteil der Plattform. Hier werden die Korallen auf eine stabiles Netz gelegt. Hier verändert sich die Höhe nicht und die Korallen können in Ruhe wachsen. Man braucht jedoch mehr Platz für dieses Modell und durch den erhöhten Kontakt zum Untergrund ist auch die Gefahr von Krankheiten erhöht.
Dies wird versucht, mit dem Seil Prinzip zu umgehen. Dabei werden Gerüste gebaut, zwischen denen Seile gespannt sind. Man kann es sich vorstellen wie eine Wäscheleine für Korallen. Das Seil wird aufgezwirbelt, die Koralle eingesetzt und das Seil dreht sich wieder zu. Praktisch, ressourcenfreundlich und einfach. Allerdings hängen diese Seile auch mit immer mehr Korallen stärker durch und es zeigt sich ein weiteres Problem, welches sich beim Baummodell auch findet; da die Korallen keinen begrenzenden Untergrund haben, wachsen sie in alle Richtungen gleich aus und dies erschwert es später, die Koralle wieder an ein Riff zu setzen.
All diese Modelle haben Vor- und Nachteile, keines ist besser als ein anderes. Man muss jedoch wissen, welche Art von Nursery für die vorliegenden Bedingungen am besten geeignet ist.
Genau mit solchen Modellen arbeiten Unternehmen wie Coral Gardeners und die Coral Restoration Foundation. Dabei wird ständig weiter geforscht und versucht, die Vorgehensweisem zu optimieren.
Es ist auch nicht nur wichtig zu erforschen, wie die Korallen am besten wachsen, sondern auch, welche Korallen dafür besonders geeignet sind und wie man sie resilienter gegenüber äußerlichen Gefahren, wie Temperaturschwankungen und veränderten pH-Wert machen kann (ein erklärendes Video, warum das wichtig ist, findet ihr auf meinem Instagram Account).
Und ein Teil dieser Forschung möchte ich werden. Das ist der Grund, warum ich das alles mache. Und ganz vielleicht erreiche ich auf diesem Weg noch ein weiteres meiner Ziele; mein Wissen und meine Erfahrungen zu teilen, um mehr Menschen für dieses Thema zu begeistern. Denn wenn wir unsere Korallenriffe bewahren wollen, die einen so wichtig Teil unserer Welt darstellen, ist jede Hand an Deck gefragt. Dabei müssen wir nicht alle Tauchen lernen oder Biologie studieren, sondern es kann schon reichen, die richtige Sonnencreme zu verwenden (schaut immer nach dem Siegel 'Konform mit dem Hawaii Riffgesetz' Ausschau), keine Souvenirs aus Muscheln oder Korallenteilen zu kaufen und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Jeder kann zum Meeresschutz beitragen.
Zusammen schaffen wir Me(e/h)r.
Eure,
The Diving Biologist
[3] D. Vaughan et al.; 'Microfragmenting for the successful restoration of slow growing massive corals' ; Ecological Engineering 123 (2018) 86–94
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